Bewegungstherapie

Gesundheitsförderung im Gehörlosendorf.

Interview mit Ben Edri, Tanz- und Bewegungstherapeut.

Ben, wie sieht ein Therapietag von dir aus?

Nachdem ich am Morgen den Raum gut gelüftet habe, arbeite ich mich durch die E-Mails, um mich über alles zu informieren. Zum Beispiel darüber, ob die Bewohnenden, die heute zu mir zur Therapie kommen sollten, auch verfügbar sind oder ob sie anderweitig Termine wahrnehmen müssen und was in der Zwischenzeit bei ihnen gelaufen ist.

Alsdann beginnen die Therapiestunden. Sämtliche Therapiestunden finden als sogenannte «Einzel-Therapie» statt. Ich beginne die Stunde immer so, dass ich im Gespräch in Erfahrung bringe, wie es dem teilnehmenden Bewohnenden im Moment geht, was bedrückt, beschäftigt oder was der Bewohnende seit dem letzten Besuch bei mir erlebt hat. Auf diese Weise gestalten wir gemeinsam die Therapiestunde. Dabei steht immer die Person im Mittelpunkt und was diese Person gerade thematisieren möchte. Das ist sehr wichtig! Denn mit den Emotionen, mit welchen der Teilnehmer hier ist, werden wir arbeiten. Es kommt aber auch auf der Person an, was sie erzählen möchte bzw. woran sie bereit ist zu arbeiten. Und wenn nichts aktuell Aufregendes ansteht, habe ich für jeden Bewohner, der zu mir kommt, immer Themen bereit, an denen wir von Mal zu Mal weiterarbeiten. In der Regel gebe ich ihnen ein paar Vorschläge zur Auswahl. So können die Bewohner selbst entscheiden, woran sie arbeiten möchten.

Bewegung und Motivation, sich mit dem Körper auszudrücken, steht im Vordergrund. Spass ist ein wichtiges Mittel in unserer gemeinsamen Arbeit.

 

Was sind die Herausforderungen für dich als Tanz- und Bewegungstherapeut in der Corona-Zeit?

Die Corona-Pandemie-Zeit dauert leider noch immer an. Wir haben bereits verschiedene Massnamen getroffen und wir passen uns stets an die neuen BAG-Vorschriften an – und das ist auch gut so. Unsere spezifische Herausforderung war, die Bewohnenden und uns selbst zu schützen, die Bewohner über die Schutzmassnahmen aufzuklären und Ruhe zu bewahren. Wichtig ist vor allem konsequent dran zu bleiben, sich zu verbessern und wo möglich zu optimieren.

Für meine Arbeit bedeutet das viel mehr Aufwand. So ist nach jeder Therapiestunde der Raum zu reinigen und alles Material zu desinfizieren, das wir gebraucht haben. Anschliessend muss ich den Raum gut lüften und für die nächste Therapiestunde herrichten. Es ist sehr wichtig, den Bewohnenden gut zuzuhören, damit wir sie bei der Bewältigung ihrer Ängste und Befürchtungen unterstützen können.

 

Was machen die Bewohnerinnen und Bewohner am liebsten bei dir in der Tanz- und Bewegungstherapie?

Grosse Freude macht den Bewohnern vor allem meine zwei Angebote, die sie in ihrer Freizeit in Anspruch nehmen können: Kreistanz und die Theater-Gruppe. Die Bewohner, die am Kreistanz teilnehmen, lieben es, sich zu dem Takt der Musik zu bewegen und zu tanzen. Theaterspielen macht ihnen auch grosse Freude, denn so können sie in eine Rolle schlüpfen.

Bei allem was wir machen, involviere ich die Teilnehmer, wo immer es möglich ist und lasse sie kreativ sein und ihre Fantasie walten lassen.

 

Kannst du mir eines dieser Highlights aus deiner Arbeit erzählen?

Meine Arbeit mit den Bewohnende der GLD schenkt mir immer wieder kleine schöne Momente, die mir zeigen und bestätigen, dass ich auf dem richtigen Weg bin oder dass ich richtig «zuhören» konnte. Eine kleine Anekdote kann ich von einer eifrigen gehörlosen Bewohnerin mit zusätzlicher körperlicher Beeinträchtigung erzählen.

Die Bewohnerin kommt schon seit längerer Zeit regelmässig zu mir in die Tanz- und Bewegungstherapie. Ihre Motivation ist, mit mir an geschmeidigen Bewegungen zu arbeiten und gleichzeitig ihre Muskulatur zu kräftigen. Eines Tages kam sie niedergeschlagen zu mir und sagte: «Ich kann mich heute nicht so gut und frei bewegen, wie ich das gerne möchte. Ich habe eine Sehnenentzündung an meinem Bein. Es schmerzt so sehr. Ich muss leider mit der Bewegungstherapie eine Pause einlegen.» Als sie fertig gesprochen hatte, beruhigte ich sie und erklärte ihr, dass wir diese Zeit als Chance nutzen können. In dieser Zeit können wir Entspannung und Achtsamkeit mit dem Körper, Geist und Seele üben. Wir nahmen uns vor, an ihren spastischen Bewegungsstörungen zu arbeiten. Wir haben Körperteil für Körperteil «bearbeitet», bis wir merklich höhere Entspannungen und wesentliche Lockerungen erreicht haben. Sie war so glücklich und bedankte sich von Herzen mehrmals, dass wir etwas Neues probierten, das ihr so guttat und zur entspannten Körperhaltung verhalf.

 

Was wünschst du dir für die Zukunft, damit diesem schönen Beispiel noch viele weitere Erfolgserlebnisse folgen können?

In meiner Arbeit im Gehörlosendorf bin ich stets auf der Suche, wie ich meine Klientel besser und optimaler unterstützen kann. Als Tanz- und Bewegungstherapeut arbeite ich mit Musik. Damit meine gehörlose Klientel zur Musik tanzen und sich bewegen kann, benötigt es Hilfsmittel, um die Tonschwingungen und Vibrationen am ganzen Körper zu spüren. Die Gehörlosen sind auf solche Hilfsmittel angewiesen, um den Schall der Musik wahrzunehmen. Am besten wäre es, wenn der Therapieraum einen «schwimmenden, vibrierenden Boden» aus Holz hätte, der aber sehr teuer ist. Ein neues Hilfsmittel, um Musik am Körper zu spüren, ist das «Soundshirt», aber leider ist unser Budget dafür zu klein. Toll wären auch Schränke, um das Material ordentlich zu verstauen.

Die Bewohner lieben es zu musizieren. Deswegen stehen neue Musikinstrumente auch ganz oben auf meiner Wunschliste.

 

Was ist dein Ziel als Tanz- und Bewegungstherapeut? Was möchtest du mit den Bewohnerinnen und Bewohnern erreichen?

Ich mag bei meiner Arbeit die Herausforderungen und die Interaktion, das Zusammenarbeiten mit den Bewohnenden. Mein Ziel ist es, meine Klientel auf ihrem Lebensweg und in ihrem Alltag zu begleiten und sie weiterzubringen. Jeder und jede nach seinen / ihren Möglichkeiten, so dass sie Freude und Zufriedenheit erleben und ihre kleinen oder grossen Ziele erreichen. Ich unterstütze sie, sodass sie möglichst autonom entscheiden und ihr Selbstbewusstsein stärken können.

 

Vielen Dank Ben, für deine Zeit und deinen unermüdlichen Einsatz für die Bewohnerinnen und Bewohner!

 

Interview: Anina Jäggi